Jörg Loppaschewski hat seit 1998 900 Bundesliga-Partien geleitet. Grafik: HVNB

Jörg Loppaschewski: Zum Jubiläum im Gespräch

Schiedsrichter Jörg Loppaschewski leitete am Freitag, den 1. Dezember 2023, in Flensburg zum 900. Mal ein Spiel auf DHB-Ebene. Im Interview gibt Loppaschewski spannende Einblicke in 25 Bundesliga-Jahre an der Pfeife.

An diese bemerkenswerte Zahl kommt wahrlich kaum jemand heran: Jörg Loppaschewski hat am Freitagabend seinen 900. Einsatz als Schiedsrichter für den Deutschen Handballbund absolviert. Der Berliner leitete gemeinsam mit seinem Gespannpartner Nils Blümel die Partie zwischen der SG Flensburg-Handewitt und MT Melsungen, vor der die selbst für den Jubilar überraschende Ehrung durch Marcus Helbig stattfand. „900 DHB-Einsätze sind eine Marke, die einzigartig ist. Jörg ist ein Vorbild in Sachen Disziplin und Zuverlässigkeit – ein Vorbild für junge Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter“, würdigt Jutta Ehrmann-Wolf, Leiterin des Schiedsrichterwesens im Deutschen Handballbund, das Engagement und die Leistung Loppaschewskis. 

Der 51-Jährige stand früher selbst als aktiver Spieler im Tor und war im Handball-Verband Berlin als Schiedsrichterlehrwart und Schiedsrichterwart im Einsatz. Erste Erfahrungen als Unparteiischer sammelte Loppaschewski im 1987, sechs Jahre später leitete er gemeinsam mit seinem damaligen Partner Sascha Gremmel sein erstes DHB-Spiel, 1998 folgte bei der Partie zwischen dem SC Magdeburg und dem TuS Schutterwald der erste Einsatz in der 1. Bundesliga. 

Viele Spieler und Vereine sind seitdem gekommen und gegangen, Loppaschewski ist geblieben. In Folge des aus gesundheitlichen Gründen resultierenden Karriereendes von Sascha Gremmel Ende 2001 fand der erfahrene Schiedsrichter ein halbes Jahr später mit Nils Blümel einen neuen Partner, mit dem er sofort im DHB-Bereich einsteigen konnte. Das „neue“ Gespann debütierte 2008 in der Kölnarena auf höchster deutscher Ebene, als sich der VfL Gummersbach und TuSEM Essen gegenüberstanden. Ein Jahr vorher hatten beide als Fans an gleicher Stelle mitverfolgt, wie die deutsche Männer-Nationalmannschaft die Heim-Weltmeisterschaft gewann. 

Nach Nominierungen für das Final Four der Männer 2016 und 2021 sowie dem Final Four der Frauen 2018 erlebte das Elitekader-Gespann in Flensburg einen weiteren ganzen besonderen Handballabend. 

Herr Loppaschewski, Ihr Jubiläumsspiel im DHB-Bereich liegt hinter Ihnen. Haben Sie die Partie als eine besondere erlebt? 
Loppaschewski: Wir haben uns auf dieses Spiel nicht anders vorbereitet als auf alle anderen Spiele. Das heißt: Wir beschäftigten uns mit den Taktiken der Mannschaften, um bestmöglich in das Spiel hineinzugehen. Für uns Schiedsrichter ist es immer am besten, wenn wir überhaupt kein Gesprächsthema sind. Das waren wir diesmal vor der Partie bei der Ehrung, von der ich überhaupt nichts wusste, aber nicht während und nach der Partie, was für uns immer der beste Fall ist. 

Zurück in die Vergangenheit: Wie sind Sie zur Schiedsrichterei gekommen? 
Loppaschewski: Alles begann mit dem Schulhandball. Dort wurden Unparteiische benötigt, und gemeinsam mit Sascha Gremmel leitete ich meine ersten Spiele in den Qualifikationsrunden von „Jugend trainiert für Olympia“. Als nächsten Schritt haben wir 1987 den Schiedsrichterschein gemacht und sind über die einzelnen Kader aus dem damaligen Regionalverband Nordost in den DHB-Bereich aufgestiegen. 

Im Jahr 2001 musste Ihr Partner Sascha Gremmel seine Laufbahn aus gesundheitlichen Gründen beenden. Wie fanden Sie mit Ihren neuen Kollegen Nils Blümel zusammen? 
Loppaschewski: Nils und ich kannten uns gut, weil wir zusammen in der gleichen Mannschaft im Verein gespielt hatten. Für ihn ging es mit seinem damaligen Partner auch nicht weiter. So fanden wir zusammen und hatten das Glück, dass Peter Rauchfuß uns das Vertrauen aussprach, direkt gemeinsam im DHB-Bereich einsteigen zu können. Damit begannen 21 bis heute tolle Jahre, in denen ich den besten Freund gefunden habe, den man sich vorstellen kann. Nils ist immer da, wenn man ihn braucht. 

Wie haben sich in Ihren Augen die Anforderungen an die Schiedsrichter gerade im Bundesliga-Bereich verändert? 
Loppaschewski: Das Spiel war früher sehr viel statischer und berechenbarer. In den vergangenen Jahren gewann das Spiel immer mehr an Tempo und Dynamik, was auch uns Schiedsrichter vor neue Herausforderungen stellt. Wir müssen im Fitnessbereich entsprechend viel arbeiten und uns mit taktischen Komponenten beschäftigen, denn nur, wenn man weiß, was jetzt passieren könnte, kann man sich bestmöglich auf die Situation vorbereiten. 

Wie nehmen Sie das Miteinander zwischen Schiedsrichtern und Spielern beziehungsweise Trainern in der Bundesliga wahr? 
Loppaschewski: Im Bundesligabereich ist das Miteinander sehr professionell. Jeder hat seine Rolle und es liegen unterschiedliche Interessen vor, aber der menschliche Umgang ist wirklich sehr gut. Natürlich ist es auch unsere Aufgabe, Entscheidungen zu treffen, die dem einen oder anderen nicht gefallen. Aber das bringt unsere Rolle mit sich. 

Welche Ratschläge würden Sie einem jungen Schiedsrichter mit auf den Weg geben? 
Loppaschewski: Man muss sich natürlich mit dem Regeltechnischen, unserem Grundwerkzeug, auseinandersetzen, das von der Basis bis in die Bundesliga das gleiche ist. In den höheren Klassen gewinnt das Spielmanagement immer mehr an Bedeutung. Und da muss man sich als Schiedsrichter selbst treu bleiben, Ratschläge annehmen, kritikfähig und kritisch gegenüber sich selbst sein, auch eigene Entscheidungen zu hinterfragen. Wenn man immer lernfähig ist, entwickelt man sich weiter. Bei einem Stillstand ist der Punkt gekommen, an dem man sich die Frage stellen sollte, ob man weitermachen sollte. 

Wenn irgendwann der Zeitpunkt gekommen ist, dass Ihre Zeit in der Bundesliga endet, würden Sie dann in tieferen Klassen weiterpfeifen oder soll es das mit der Schiedsrichterei dann gewesen sein? 
Loppaschewski: Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Bei Nils und mir steht die Freude am Pfeifen im Vordergrund, ganz unabhängig von der Spielklasse. Uns ist es heute schon wichtig, jüngere Schiedsrichter zu unterstützen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Im Sommer habe ich zum Beispiel die Schiedsrichter in unserem Landeverband beim Lehrgang geschult. Es gibt also sehr viele Wege, dem Handball treu bleiben zu können. 

Welche Spiele aus Ihrer langen Laufbahn haben sich besonders in der Erinnerung eingebrannt? 
Loppaschewski: Wir hatten ganz viele tolle Spiele, die wir pfeifen durften. Das müssen nicht immer die ganz großen Partien sein. Ich erinnere mich an ein Spiel in Mannheim, vor dem ein Junge, der im Rollstuhl saß, mit auf das Spielfeld kommen durfte und sich unheimlich darüber freute. Wir haben ihm in der Halbzeitpause eine Gelbe und Rote Karte geschenkt – das Strahlen in seinen Augen zählte zu den Momenten, die hängen bleiben. Mit der Ehrung durch Marcus Helbig jetzt in Flensburg hat sich ein Kreis geschlossen. Gemeinsam mit ihm haben wir einen unserer Höhepunkte erlebt, als wir im Jahr 2016 erstmals beim Final Four in Hamburg im Einsatz waren. Marcus Helbig hat damals gemeinsam mit Lars Geipel das andere Halbfinale geleitet. 

Sie haben früher selbst aktiv Handball gespielt. Hat Ihnen das gerade in der Anfangszeit als Schiedsrichter geholfen? 
Loppaschewski: Ich habe bis zur Regionalliga als Torwart gespielt und musste mich entscheiden, welchen Weg ich gehe. Selbst gespielt zu haben, hilft einem sehr viel, aber du musst auch die Unterschiede lernen. Als Spieler nimmst du die eine oder andere Sache anders wahr, als du sie als Schiedsrichter entscheiden musst. Dieser Perspektivwechsel ist gerade am Anfang nicht einfach. 

Das „Hobby“ Schiedsrichterei muss auch Ihre Familie mitleben, die häufig auf Sie zu Hause verzichten muss. 
Loppaschewski: Meine Familie steht über allem. Als meine Frau und ich uns kennenlernten, war ich bereits Schiedsrichter. Was sie leistet, und wie sie mir den Rücken freihält, ist nicht hoch genug zu bewerten. Ich erinnere mich an eine Anekdote, als meine Tochter im Kindergarten von den Erziehern gefragt wurde, was ihre Eltern so machen, antwortete sie: „Mein Papa steht im Fernsehen in der Ecke und pfeift.“ 

Quelle: René Weiss – Handball.net

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