
Gold-Triumph nach furioser Endphase
Die weibliche U19-Nationalmannschaft gewinnt durch den 34:27 (13:17)-Endspielsieg über Spanien bei der Europameisterschaft den Titel
Es war ein ganz besonderer Moment für den deutschen Handball am Sonntagabend, der sich in der Bemax-Arena von Podgorica ereignete. Seit dem Jahr 1996 werden bei der weiblichen U19 Europameisterschaften ausgespielt, jetzt steht die DHB-Auswahl zum ersten Mal an der Spitze. Es ist nicht nur die erste EM-Medaille, sondern direkt Gold für Deutschland nach dem Endspiel gegen Spanien, das sinnbildlich für die Qualitäten stand, die Christoph Nordmeyers Mannschaft in den anderthalb Wochen in acht Partien gezeigt hatte: Glaube an den Erfolg, mannschaftliche Geschlossenheit und großartige Leistungen vor allem in der zweiten Halbzeit. So machte man aus dem 13:17-Pausenrückstand einen 34:27-Sieg. Obendrein wurden Linksaußen Chiara Rohr und die Rückraumrechte Lara Däuble ins Allstar-Team des Turniers gewählt.
Ingo Meckes, Vorstand Sport des DHB, verfolgte das Finale in Podgorica vor Ort. Er strahlte nach dem Spielende: „Gratulation an ein fantastisches Team auf und neben dem Spielfeld! Ich bin beeindruckt, was Bundestrainer Christopher Nordmeyer mit dieser Mannschaft in den vergangenen Monaten entwickelt hat. Im Jahr der Heim-WM hätten wir uns keinen besseren Impuls wünschen können. Der Team-Spirit und auch die mentale Stärke, nach schwächeren Phasen immer weiter an sich zu glauben und auf die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, waren enorm wichtig. Alle Spielerinnen werden aus diesem Turnier viel für ihre weitere Karriere mitnehmen. Ich bin mir sicher, dass einige den Sprung in die A-Nationalmannschaft schaffen werden. Dieses Gold ist ein Auftrag, dass für die Zukunft des deutschen Frauenhandballs weiter alle miteinander am Potenzial dieser Spielerinnen arbeiten.”
DHB-Präsident Andreas Michelmann schloss sich den Gratulationen an: „Herzlichen Glückwunsch an Christopher Nordmeyer und die gesamte Mannschaft zu diesem historischen Titel! Danke an alle, die mit großem Einsatz diesen Erfolg ermöglicht haben. Der Weg dieser Mannschaft wird weitergehen, und ich freue mich schon jetzt auf das Heimspiel dieses Teams gegen Niederlande am 21. September in Krefeld.”
Die beiden Trainer der Finalteams, Christopher Nordmeyer und Joaquin Rocamora, pflegen ein gutes, freundschaftliches Verhältnis zueinander. Als nach der Auslosung für die Europameisterschaft vor rund drei Monaten feststand, dass sich beide Teams in der Vorrunde gegenüber stehen, bedauerte Rocamora gegenüber Nordmeyer die Gruppenkonstellation. Nordmeyers Reaktion als Wunschlösung: „Vielleicht spielen wir ja in der Vorrunde unentschieden und sehen uns dann im Finale wieder.“ Was der deutsche Coach skizzierte, wurde Realität.
Das galt auch für seine Vorhersage, dass es darauf ankommt, Spaniens Schlüsselspielerin Belen Rodriguez in den Griff zu bekommen. Das gelang in der ersten Halbzeit viel zu selten. Die Halblinke brachte in gewohnter Manier viel Bewegung ins Angriffsspiel, leitete gefährliche Aktionen ein und traf schon in der ersten Halbzeit sieben Mal. Der MVP der U18-WM von 2024 machte den Unterschied und hatte großen Anteil an der 17:13-Führung der Ibererinnen zur Halbzeitpause.
Durch Rückraumaktionen von Marlene Tucholke und Lara Däuble hielt die DHB-Auswahl trotzdem den Anschluss. Nach der Auszeit und dem Personaltausch (15.) wehrte Lena Lindemann zwei Würfe ab, und Emma Niemann glich nach einem Block hinten zum 10:10 aus (19.). Auch Aylin Bornhardt am Kreis erwischte direkt einen starken Einstand. Deutschland schien das Momentum auf seiner Seite zu haben, verlor aber schon kurz darauf offensiv den Faden. Ein Schrittfehler, ein Stürmerfoul, ein Fehlwurf und ein Fehlpass sorgten für einen 11:15-Rückstand (26.). Goundo Gassama Cissokho im spanischen Tor drang mit ihren Paraden immer tiefer in die deutschen Köpfe ein. Sie hielt Rohrs Siebenmeter und Bornhardts freien Wurf vom Kreis. Aufatmen dann beim letzten Wurf vor der der Pause: Anna Ros Quesada setzte einen direkten Freiwurf an den Pfosten.
Vier Tore Rückstand – da sollte noch alles möglich sein für die DHB-Auswahl. In jeder der zuvor sieben absolvierten EM-Begegnungen hatte sie sich im zweiten Abschnitt gesteigert. Dieses Gesetz galt auch im Endspiel. Durch drei Tore in Überzahl reduzierten Marlene Tucholke und Lara Däuble den Rückstand schnell zum 17:19 (37.). Das war genau der Einstand nach Wiederbeginn, den sich Deutschland gewünscht hatte. Wieder in gleicher Mannschaftsstärke auf der Platte, übernahmen die Südeuropäerinnen wieder die Initiative. Nun griffen die Trainer ein. Christopher Nordmeyer tauschte die Positionen von Ruslana Litvinov (jetzt auf Halbrechts) und Lara Däuble (jetzt auf der Mitte), Aylin Bornhardt und Laura Klocke wechselten Abwehr/Angriff. So sahen die Umstellungen für die letzten 20 Minuten aus. Der Versuch, offensiver zu verteidigen, erwies sich nicht als Heilmittel. Spanien riss Deutschlands Deckung mit spielerischer Klasse auseinander. Nordmeyer beorderte sein Team wieder in die defensivere Formation. Es war ein wichtiger Baustein zum Titel.
Für Spanien gab es fortan kaum noch ein Durchkommen gegen die DHB-Verteidigung sowie Torhüterin Lena Lindemann. Im Angriff stiegen Euphorie und Selbstvertrauen mit jedem Torerfolg. Aylin Bornhardt glich in der 47. Minute zum 25:25 aus, Lara Däuble holte mit dem 27:26 die Endspiel-Führung erstmals auf die deutsche Seite (51.). Jetzt gab’s kein Halten mehr. Marlene Tucholkes abgefälschter Wurf landete zum 28:26 in den Maschen – es lief alles für den späteren Europameister, der einen unnachahmlichen 7:1-Lauf hinlegte. Mindestens genauso beeindruckend die Zahlen der zweiten Halbzeit: Diese ging mit 21:10 an die deutsche Mannschaft. Ihre Ausgeglichenheit und Kadertiefe hatte sich einmal mehr durchgesetzt. Auch im größten Spiel dieser Europameisterschaft.
Frauen-Bundestrainer Markus Gaugisch freute sich mit dem Team: „Die Mannschaft hat eine super Mentalität gezeigt. Nach einer sehr souveränen Vorstellung von Spanien so zurückzukommen und das dann selbst so souverän zu spielen, das war beeindruckend. Ich freue mich für die ganze Mannschaft und vor allem für das Trainerteam um Chris Nordmeyer und Nadine Große sowie den Staff. Nur so kann ein Team wachsen. Und auch für die Mädels selbst freue ich mich sehr, weil sie oft Rückständen getrotzt haben, schwere Situationen überstanden haben und vor allem im Bereich Mentalität und Glaube an sich selbst sehr stark waren. Deshalb sind sie auch verdient Europameisterinnen geworden.”
Trainer Nordmeyer wusste vor dem Hintergrund des Erfolges, wer sich auch einen Dank verdient. „Wir sind abhängig von den Vereinen, die die Spielerinnen von klein auf begleiten. Die Spitze kann nur darauf zurückgreifen, was an der Basis entwickelt wird.“ Und das ist im deutschen Nachwuchshandball einiges.
Deutschland: Lindemann, Muth – Gutzeit, Walther (4/3), Mittag, Rohr (2), Litvinov (2), Glimm, Däuble (6), Mertens (1), Bornhardt (9), Kern, Müller, Niemann (1), Klocke (1), Tucholke (8).
Schiedsrichterinnen: Zsofia Marton/Rita Dane (Ungarn).
Zeitstrafen: Spanien 5 – Deutschland 2.
Siebenmeter: Spanien 7/6 – Deutschland 4/3.
Quelle: handball.net
